Sonntag, 15. September 2013

DER SCHREI

Es gibt so einige "Schreie des Entsetzens", die ich nie im Leben vergessen werde.

Der erste ist der auf den Gemälden von Edvard Munch, dem norwegischen Maler, den meisten Menschen vermutlich eher von Postkarten oder IKEA-Postern bekannt. Am Anfang meiner Zeit im Amt lebte ich für elf Monate in Oslo. Nach dieser Zeit konnte ich die klare Aussage der Bilder natürlich viel besser verstehen. Es muss sich zwangsläufig um das Portrait eines Menschen halten, der aus dem Fenster schaut und feststellt, dass der dreimonatige frühlingshafte Sommer schon wieder vorbei ist und der erste Schee fällt -  obwohl es doch erst Ende August ist.
Das Klima im Norden hat es in sich. Kaum hat man Ende Mai die Daunenjacke und die Pudelmütze verstaut, holt man sie Anfang September schon wieder eilig aus dem Schrank, weil der Winter vor der Tür steht.

Der zweite unvergessene Schrei ist der von Janet Leigh unter der Dusche im Film "Psycho". Hierbei ist bemerkenswert, dass man ja eigentlich gar nichts Schlimmes sieht: einen Duschvorhang, ein Messer, eine Brause. Das ganze Grauen spielt sich eigentlich nur in der Phantasie des Zuschauers ab ...

Beim letzten Schrei, der mir unvergessen bleiben wird, wurde leider nichts der Phantasie überlassen.
Es war mein eigener. Vor einigen Tagen. In unserem Gästebad.

Felix und die Kinder waren oben, als ich im Erdgeschoss eigentlich nur noch schnell ein frisches Handtuch im kleinen Bad aufhängen wollte. Ich öffnete die Tür - und schrie!!!

An der gegenüberliegenden Wand huschte eine SCHWARZE, HAARIGE RIESENSPINNE von links nach rechts und verschwand in der für mich nicht einsehbaren Ecke hinter dem WC.
Auch wenn ich in diesem Moment optisch wenig mit Janet Leigh gemeinsam hatte (es war am frühen Vormittag und ich war noch nicht in der Maske) - akkustisch stand ich ihr in keiner Weise nach. Alfred Hitchcock hätte seine helle Freude an mir gehabt und Tippie Hedren die Rolle in "Die Vögel" vergessen können.

Ich war kurz vor einer Ohnmacht, schloss vorsichtig die Tür und wartete.

Nach ca. 10 Minuten kam von oben die Frage: "Is' was?" Ich erklärte den nach und nach die Treppe  herunterschlendernden Familiemitgliedern - natürlich "sachlich und beherrscht"-  dass sich in unserem Gästebad eine monströse Riesenspinne befindet und legte - Alice Schwarzer möge an dieser Stelle mal weghören -nahe, dass sich die männlichen Familienmitglieder dieses Problems annehmen sollten.

Bewaffnet mit Wischmopp, Umzugskarton und Insektenspray wagten sich Felix und Philipp dann auch - langsam vortastend - in die "Höhle der Spinne", während ich ihnen - auf einem Stuhl im Esszimmer stehend - Deckung von hinten gab.

Was folgte, war enttäuschend. "Da ist nichts," stellten die beiden nach einigen Minuten lapidar fest und zogen wieder ab.

Seitdem sind Spott und Hohn meine ständigen Begleiter. Sage ich, ich hätte einen Riesenhunger, folgen umgehend Nachfragen, "ob er denn so riesig wie die Spinne im Bad sei...?" Es wird nicht nur unterstellt, dass die Spinne gar keine Haare hatte, es wird mir sogar suggeriert, dass es sich gar nicht um eine Spinne handelte, sondern vermutlich nur um eine Staubflocke oder maximal einen der süßen kleinen Geckos, der vor lauter Angst schnell entwischte, als er mich sah und für dessen Existenz wir doch dankbar sein müssten, weil er Mücken frisst.

Mittlerweile zweifle ich selbst an dem, was ich gesehen habe. Dabei war ich mir doch so sicher...

3 Kommentare:

  1. guck mal (keine Sorge, ist kein Spam, nur ich konnte kein Bild als Kommentar hier reinstellen) >>>

    https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10151598916712447&set=a.10150975655547447.412569.702147446&type=1&theater

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  2. Das trifft die Situation ziemlich genau! Endlich versteht mich jemand!

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  3. Ja, aber ich versuche auch, um Verständnis für die Gefühle der Spinne in dieser Situation zu werben. Der Araknophilenverband Vietnam hat in der Vergangenheit häufiger auf die verheerende Situation der Privatsphäre von gemeinen Hausspinnen hingewiesen. Frag mal Felix, der kennt sich mit der Allgemeinen Erklärung der Spinnenrechte aus.
    Liebe Grüße an Nicht-Slytherin!

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